Ist die Ära des Populismus in Lateinamerika zu Ende?
18.07.2017Am 11.07.2017 war auf Einladung des interdisziplinären Arbeitskreises Lateinamerika der Universität Würzburg der renommierte Lateinamerikaexperte Prof. Dr. Nikolaus Werz (Universität Rostock) zu Gast.
Prof. Dr. Nikolaus Werz, der in Bonn geboren und in Buenos Aires aufwuchs, ging in seinem Vortrag der Frage nach, ob die Ära des Populismus in Lateinamerika zu Ende sei.
Die historischen Grundlagen des Populismus lassen sich im Caudillismus als patrimoniale Herrschaftsform mit autoritären Zügen sowie dem Regierungsstil der oratoria, der Redekunst, verorten. Neben diesem historischen Populismus sind zwei weitere Wellen des Populismus, der „Neopopulismus“ und der „Neue bzw. Linkspopulismus“, zu identifizieren.
Die Phase des neuen Populismus beginnt mit der insgesamt 13-jährigen Herrschaft von Hugo Chavéz in Venezuela. Weitere bekannte Vertreter sind u. a. Rafael Correa (Ecuador), Evo Morales (Bolivien), Daniel Ortega (Nicaragua), sowie Nestor und Cristina Kirchner. Bezogen auf die Debatte über Demokratie und Populismus konstatiert Werz, dass Populismus zwei Seiten hat. Auf der einen Seite zeigt der Populismus eine demokratische Komponente, da er sozial inklusiv und bestrebt ist, die Bedürfnisse des Volkes zu befriedigen. Auf der anderen Seite greift er jedoch auf eine starke Vereinfachung diverser Themen zurück und basiert meist auf einem Freund-Feind-Schema. Populismus führt jedoch nicht per se zu autoritären Regimen.
Prof. Dr. Nikolaus Werz stellte zudem Gemeinsamkeiten zwischen lateinamerikanischem Linkspopulismus und dem in Europa fest. Als Beispiel nannte er Spanien, Griechenland und Italien.
Die Frage, ob die Ära des Populismus in Lateinamerika zu Ende sei, beantworte Werz mit nein. Angesichts der nach wie vor akuten sozialen Ungleichheit, welche Populisten meist Auftrieb gibt, sieht er eher eine Pendelbewegung zwischen linkspopulistischen und Mitte-Rechts-Regierungen.
Die soziale Ungleichheit, die politische Kultur, das Scheitern der Wirtschaftspolitiken und ausbleibende Lernprozesse in vielen lateinamerikanischen Ländern forcieren das weitere Auftreten von Populisten in Lateinamerika.
Im Anschluss an den Vortrag fand eine lebhafte Diskussion statt. Unter anderem herrschte ein Dissens darüber, ob man während der dritten Welle des Populismus von einer „gewonnenen Dekade“ sprechen könne. In dieser Zeit wurden unter Hugo Chávez in Venezuela die Gewinne aus der Erdölförderung großzügig verteilt. Die Armut –nicht die Ungleichheit – konnte so reduziert werden. Allerdings wurden Zweifel geäußert, ob man in diesem Zusammenhang tatsächlich von einer „gewonnen Dekade“ sprechen könne, da nachhaltige Investitionen nicht getätigt wurden.
Der interdisziplinäre Arbeitskreis Lateinamerika bedankt sich bei Prof. Dr. Nikolaus Werz für den informativen Vortrag, sowie bei allen Teilnehmenden, die eine spannende Diskussionen angeregt haben.