The Trouble with Identity?
Datum: | 30.10.2024, 18:00 - 19:45 Uhr |
Kategorie: | Vortrag |
Ort: | Wittelsbacherplatz 1, 03.103 |
Vortragende: | Dr. Martin Stempfhuber |
Am Mittwoch, 30.10.2024, um 18:00 Uhr s.t. in Raum 03.103 startet unser Institutskolloquium mit einem Vortrag von Martin Stempfhuber (Univ. Salzburg) zum Themenfeld der Identitätspolitik aus soziologischer Sicht.
Martin Stempfhuber war mehrere Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut tätig. Sein Vortrag verhandelt unter dem Titel „The Trouble with Identity?“ die aktuelle Debatte zum Thema:
In den vergangenen Jahren hat auch die deutschsprachige Soziologie eine Debatte erreicht, die identitätspolitisch engagierte Positionen mit jenen vergleicht, die klassische Fragen von sozio-ökonomischer Ungleichheit in den Mittelpunkt der soziologischen Analyse stellen. Auffällig ist, dass diese Diskussionen – insbesondere nach #BlackLivesMatter – oft auf einen etablierten akademischen und politischen Diskurs im nordamerikanischen Kontext zurückgreifen und dabei Positionen der „identitätskritischen Linken“ zitieren. Im Mittelpunkt stehen hier die Gegenüberstellungen von „class-reductionism versus race-reductionism“, Intersektionalität versus politökonomischen Analysen, und Kritiken an white supremacy versus Fokussierungen auf (post-)neoliberale Ideologien. Prominente Stimmen in dieser Debatte sind unter anderem der Literaturwissenschaftler Walter Benn Michaels, der Politikwissenschaftler Adolph Reed Jr. und die Historikerin Barbara Fields. Gemeinsam ist diesen Autorinnen unter anderem, dass sie auf ideologische Verschiebungen hinweisen, die wirtschaftliche Ungleichheiten verdecken und soziale Gerechtigkeit auf eine Frage der Anerkennung von Identitätskategorien reduzieren.
Martin Stempfhubers Beobachtung ist nun, dass diese bedeutenden Positionen in der aktuellen deutschsprachigen Diskussion zwar häufig zitiert und kritisiert werden, jedoch meist nur als Karikaturen erscheinen, missverstanden und dekontextualisiert werden. Dies führt zu gefährlichen „Übersetzungsfehlern“, bei denen historisch spezifische Begriffe und Analysewerkzeuge wie identity, diversity und gar „race“ unkritisch und unhinterfragt in den deutschsprachigen soziologischen und gesellschaftskritischen Diskurs übertragen werden. Ziel seines Vortrags ist es, a) einige Hintergründe der nordamerikanischen Diskussion darzustellen, b) auf mögliche Missverständnisse und Übersetzungsprobleme hinzuweisen und c) zur Diskussion zu stellen, was zeitgenössische kritisch-soziologische Perspektiven dennoch aus der skizzierten Debatte lernen und aufgreifen könnten.
Mitdiskutierende sind herzlich willkommen!