DFG-Forschungsprojekt
DFG-Forschungsprojekt „Die Demokratiematrix als Alternative zu den Demokratieindizes von Freedom House und Polity: Die Anwendung des Varieties-of-Democracy-Datensatzes anhand der 15-Felder-Matrix der Demokratie“ (April 2016 – April 2018)
Das DFG-Forschungsprojekt „Die Demokratiematrix als Alternative zu den Demokratieindizes von Freedom House und Polity: Die Anwendung des Varieties-of-Democracy-Datensatzes anhand der 15-Felder-Matrix der Demokratie“ erarbeitet ein neues Demokratiemessinstrument auf der Datengrundlage des Varieties-of-Democracy-Projektes. Dabei kombiniert die Demokratiematrix drei Demokratiedimensionen (Freiheit, Gleichheit und Kontrolle) sowie fünf zentrale Demokratieinstitutionen (Entscheidungsverfahren, Intermediäre Vermittlung, Kommunikation/Öffentlichkeit, Rechtsgarantie sowie Regelsetzung und –anwendung) zu insgesamt 15 Matrixfeldern, die den relevanten Bereich der Demokratiemessung abstecken. Zum einen ermöglicht diese mittlere Demokratiedefinition, zwischen Autokratien, defizitären Demokratien sowie funktionierenden Demokratien zu differenzieren. Zum anderen lässt es seine konzeptionelle und methodische Anlage zu, eine Unterscheidung von Demokratieprofilen anhand der Ausprägung der einzelnen Matrixfelder zu treffen.
Zielsetzungen
Die Demokratiemessung hat sich zu einem bedeutenden Teilbereich der Vergleichenden Politikwissenschaft entwickelt. Jedoch finden sich aufgrund konzeptioneller und methodischer Mängel bis heute wenig geeignete Messinstrumente der Demokratiequalität, die sowohl eine lange Zeitreihe als auch ein differenziertes Erfassen einzelner Teilbereiche der Demokratie bieten, so dass sich hier ein signifikantes Forschungsdesiderat zeigt.
Durch die Verbindung der 15-Felder-Matrix und dem Datensatz von Varieties of Democracy kann diese Lücke nachhaltig geschlossen werden. Die 15-Felder-Matrix von Lauth stellt einen konzeptionell fundierten Vorschlag dar, der zwischen zentralen demokratischen Institutionen (Entscheidungsverfahren, Intermediäre Vermittlung, Kommunikation bzw. Öffentlichkeit, Rechtsgarantie sowie Regelsetzung und -anwendung) und drei Dimensionen (politische Freiheit, politische Gleichheit, rechtliche und politische Kontrolle) unterscheidet. Bislang musste eine umfassende Querschnitts- oder Längsschnittuntersuchung aufgrund des geringen Datenmaterials ausbleiben. Dies ändert sich jedoch mit dem neuen, frei zugänglichen Datensatz der Varieties of Democracy des Department of Political Science an der Universität Göteborg (Schweden) und des Kellogg Institute an der Universität Notre Dame (USA), der auf einer methodisch anspruchsvollen Basis eine breite Fülle an Indikatoren für eine große Fallzahl über einen langen Zeitraum (1900-2012) bietet.
Dieses Projekt verfolgt vier Zielsetzungen:
- die konzeptionelle Präzisierung der 15-Felder-Matrix als Vorbedingung für die optimale Verwendung als quantitatives Messinstrument;
- die Operationalisierung der Matrix anhand der der Varieties-of-Democracy-Daten zur Gewinnung des neuen Demokratiemessinstruments;
- die deskriptive Auswertung und Validierung des neu gewonnenen Datensatzes für die Demokratiemessung und
- die Erstellung einer englischsprachigen Homepage, die neben dem freien Zugang zu dem Datensatz einfache Funktionen zur Ausgabe von Grafiken zur Verfügung stellt.
Das neue Messinstrument der Demokratiematrix wird auf einer differenzierten Demokratiekonzeption basieren und anhand verschiedener Aggregationsstufen den Forschenden sowohl eine Regimeklassifizierung als auch die Identifizierung von Verbesserungspotenziale anhand defizitärer Ausprägungen einzelner Felder, Institutionen oder Dimensionen ermöglichen. Schließlich sollen die Ausprägungen der Dimensionen und Institutionen zu empirischen Profilen von Demokratien verdichtet werden können, so dass neue Einblicke sowohl in den Demokratisierungsprozess als auch in das Funktionieren von etablierten Demokratien gewährt werden. Insgesamt wird der Datensatz, der 200 Länder über 100 Jahre erfasst, eine ausgezeichnete Grundlage für die Demokratieforschung bieten, so dass eine attraktive Alternative zu den bislang gängigen Datensätzen von Polity und Freedom House angeboten wird.
Demokratiematrix
Die Demokratiematrix beruht auf einer Definition mittlerer Reichweite, die das minimale Demokratiekonzept nur insoweit anreichert, wie es für eine differenzierte Analyse von Demokratien nötig ist, und die dabei allerdings innerhalb eines engeren Demokratieverständnisses verbleibt (Lauth 2004, 2015). Durch die Auswertung der demokratietheoretischen Debatte kann eine Demokratiekonzeption gewonnen werden, die zum einen auf den Dimensionen der politischen Freiheit, politischen Gleichheit und politischen und rechtlichen Kontrolle basiert und die zum anderen fünf wesentliche, zu den Dimensionen querliegende Institutionen (Entscheidungsverfahren, Intermediäre Vermittlung, Kommunikation bzw. Öffentlichkeit, Rechtsgarantie sowie Regelsetzung und -anwendung) unterscheidet (s. Abb. 1). Demokratie wird somit verstanden als „eine rechtsstaatliche Herrschaftsform, die eine Selbstbestimmung für alle Staatsbürgerinnen und Staatsbürger im Sinne der Volkssouveränität ermöglicht, indem sie die maßgebliche Beteiligung von jenen an der Besetzung der politischen Entscheidungspositionen (und/oder an der Entscheidung selbst) in freien, kompetitiven und fairen Verfahren (z.B. Wahlen) und die Chancen einer kontinuierlichen Einflussnahme auf den politischen Prozess sichert und generell eine Kontrolle der politischen Herrschaft garantiert. Demokratische Partizipation an der politischen Herrschaft findet damit ihren Ausdruck in den Dimensionen der politischen Freiheit, der politischen Gleichheit und der politischen und rechtlichen Kontrolle“ (Lauth 2004: 100).
Abbildung 1: Die Demokratiematrix
Quelle: Eigene Darstellung
Jedes Matrixfeld, das sich durch die Kombination einer Institution mit einer Dimension auf Basis der oben genannten Demokratiekonzeption ergibt, zielt auf ein bestimmtes zentrales Merkmal einer Demokratie. Dabei unterscheidet die Demokratiematrix zwischen Autokratien, defizitären Demokratien und funktionierenden Demokratien. Diese Analysestrategie erlaubt es, die Qualität von Institutionen und Dimensionen separat zu ermitteln, so dass sich für jede Demokratien ein individuelles Demokratieprofil ergibt, das Stärken und Schwächen und damit bei etablierten Demokratien auch trade-offs offenbart. Zudem steht explizit auch das Zusammenspiel von Kodifizierung und tatsächlichem Wirkungsgrad von Institutionen im Mittelpunkt der Analyse.
Homepage und Datensatz der Demokratiematrix
Der Datensatz und die Homepage der Demokratiematrix sind erschienen und können unter www.demokratiematrix.de aufgerufen werden.
Veranstaltungen und Vorträge
Veranstaltungen
1. Workshop „Trade-offs in der Demokratiequalität: blinde Demokratiemessinstrumente oder Nichtexistenz von trade-offs?“ am 17.06.2016
Teilnehmer: PD Michael Becker, Dr. Peter Thiery, Prof. Dr. Josef Trappel
Leitfragen:
- Wie lassen sich trade-offs aus demokratietheoretischer Sicht begründen?
- Welche konkreten trade-offs existieren zwischen Dimensionen und Institutionen?
- Wie können trade-offs operationalisiert und somit empirisch gemessen werden?
2. Workshop „Demokratische Innovationen und Demokratiemessung: Revision des Maßstabs der Demokratiequalität?“ am 18.11.2016
Teilnehmer: Prof. Brigitte Geißel, Prof. Norbert Kersting, Prof. André Bächtiger
Leitfragen:
- Muss der Maßstab, der bei der Bestimmung der Demokratiequalität angelegt wird, aufgrund von demokratischen Innovationen angepasst werden?
- Wie können demokratische Innovationen innerhalb der Demokratiequalität verortet werden?
- Wie lassen sich die Effekte demokratischer Innovationen operationalisieren und messen?
Vorträge
- Vortag bei dem Workshop „Why Choice Matters – Revisiting and Comparing Measures of Democracy” am 01.06-02.06.2017 in Zürich
- Vortrag am V-Dem-Institut (Götheburg) am 19.05.2016: “The democracy matrix as an alternative to the democracy indices of Freedom House and Polity: Implementation of the Varieties-of-Democracy-Data by using the 15-Field-Matrix of Democracy”
- Vortrag an der Universität Zürich im Rahmen des DemocracyNet.eu-Workshop “Contextualizing Democracy: Culture, Capitalism, Inequalities” am 09.06.2016: “Post-democracy and the measurement of democracy: Can we combine these research fields?”
- Vortrag bei der ECPR General Conference (Prag) am 10.09.2016: „Making trade-offs visible: Theoretical und methodological considerations about the relationship between dimensions and institutions of democracy and empirical findings”
Publikationen
- Lauth, Hans-Joachim und Oliver Schlenkrich. 2018. Making Trade-Offs Visible: Theoretical and Methodological Considerations about the Relationship between Dimensions and Institutions of Democracy and Empirical Findings. Politics and Governance 6 (1): 78–91. Open Access
- Lauth, Hans-Joachim und Oliver Schlenkrich. 2018. Demokratie in komplexen Gesellschaften. Demokratieprofile – Responsivität – Populismus. In: Mannewitz, Tom [Hrsg.]: Die Demokratie und ihre Defekte, 145-168. Wiesbaden: VS-Verlag. Abstract
- Lauth, Hans-Joachim. 2016. The internal relationships of the dimensions of democracy: The relevance of trade-offs for measuring the quality of democracy. In: International Political Science Review 37(5), S. 606–617. Abstract
- Lauth, Hans-Joachim und Oliver Schlenkrich. 2016. Making trade-offs visible: Theoretical und methodological considerations about the relationship between dimensions and institutions of democracy and empirical findings. Working Paper, vorbereitet für ECPR General Conference 7.-10. September (Prag).
- Lauth, Hans-Joachim. 2004. Demokratie und Demokratiemessung. Wiesbaden. Abstract
- Lauth, Hans-Joachim. 2015. The Matrix of Democracy: A Three-Dimensional Approach to Measuring the Quality of Democracy and Regime Transformations. In: WAPS 6, S. 1-29. Link